DER DICHTER
Ricarda Huch (1864-1947)
DER DICHTER
NICHT aus sich spricht der Dichter; den heiligsten Willen zu künden,
Gibt ihm ein Gott die weithin tönende Stimme.
»Führe mein Volk,« spricht er, »und weicht es von meinem Rechte,
Straf es, erleucht es, bring es zurück zu den ewigen Sternen!«
So berufen, geht er dem Volke voran, und die Worte
Strömen ihm golden und schwer und süß vom begnadeten Munde.
Aber nicht immer folgt die Herde willig dem Hirten,
Denn vor Gotzen kniet das verblendete Volk zu gerne.
Alles lauscht, wie im Märchen, entzückt dem künstlichen Uhrwerk,
Während der Nachtigall edler Gesang sich im Dunkel verliert.
Einsamkeit ist sein Los. Doch getreu dem göttlichen Auftrag
Singt er drohend und warnend die unwillkommenen Lieder,
Seine Harfe sein Schwert, und wärs auch, daß er von fern nur
Schaute das Land der Verheißung, daß friedlos, ruhmlos er stürbe.
Wirkt doch ein mächtiges Wort unverwelklich im Herzen der Guten,
Und sein vergessenes Grab findet der himmlische Tau.The Poet
Not of himself speaks the poet; to tell the will of the Holiest
Heaven bestows upon him the voice, the clarion sounding.
‘Lead my people’, he’s bidden, ‘and temper them well by my Justice;
Chasten, enlighten, and bring them back to the stars immortal’.
Thus he is called and walks before the people, and golden,
Grave and sweet, from his lips the words stream forth, by God’s mercy.
But the flock may not always be willing to follow the shepherd:
For, too easily dazzled, the people kneel to false idols,
Charmed, as in the old tale, by the gimcrack tinkle of clockwork,
While the nightingale’s pure music is lost in the dark.
Loneliness is his lot. Yet, true to his heavenly mission,
Wielding his harp as a sword, he sings as a threat and a warning
Songs unwelcome, perhaps only afar in the distance
Seeing the land of promise, to perish obscure and in travail.
Yet, in the hearts of the good, his word has power unfading,
And his neglected grave garners the heavenly dew.Translation: Copyright © Timothy Adès