Dreams

Träume

Rainer Maria Rilke (1875-1926)

Träume
...Und sagen sie das Leben sei ein Traum: das nicht; nicht Traum allein. Traum ist ein Stück vom Leben. Ein wirres Stück, in welchem sich Gesicht und Sein verbeißt und ineinanderflicht wie goldne Tiere, Königen von Theben aus ihrem Tod genommen (der zerbricht). Traum ist Brokat, der vor dir niederfließt. Traum ist ein Baum, ein Glanz der geht, ein Laut – ein Fühlen, das in dir beginnt und schließt ist Traum; ein Tier das dir ins Auge schaut ist Traum; ein Engel, welcher dich genießt, ist Traum. Traum ist das Wort, das sanften Falles in dein Gefühl fällt wie ein Blütenblatt, das dir im Haar bleibt: licht, verwirrt und matt –, hebst du die Hände auf: auch dann kommt Traum, kommt in sie wie das Fallen eines Balles –; fast alles träumt –, du aber trägst das alles. Du trägst das alles. Und wie trägst du ´s schön So wie mit deinem Haar damit beladen. Und aus den Tiefen kommt es, von den Höhn kommt es zu dir und wird von deinen Gnaden... Da wo du bist hat nichts umsonst geharrt, um dich die Dinge nehmen nirgend Schaden, und mir ist so als hätt ich schon gesehn, daß Tiere sich in deinen Blicken baden und trinken deine klare Gegenwart. Nur wer du bist: das weiß ich nicht. Ich weiß nur deinen Preis zu singen: Sagenkreis um eine Seele,                     Garten um ein Haus, in dessen Fenstern ich den Himmel sah -, Und wenn es Nacht ist -: was für große Sterne müssen sich nicht in diesen Fenstern spiegeln...
Dreams
And if they tell you life’s a dream: not so: Life isn’t only dream. Dream is a part Of life, disorderly, a part where face And essence bite their lip and interlace Like golden beasts, or like Egyptian kings Plucked from their death (which crumbles, falls apart). Dream is brocade, before you, flowing down. Dream is a tree, a glint that goes, a sound – a feeling in you, started, closed, is dream; a beast that looks you in the eye is dream; an angel that delights in you is dream. Dream is the word that soft as petal falls into your feeling, such a gentle fall, dwells in your hair, light, blurry, faint and dim; and if you raise your hands, so likewise dream comes to them like the falling of a ball–; most things go dreaming –, you contain it all. ...Contain it all. And beautifully too, As if you’re laden with it in your tresses. And up it comes out of the depths to you, Comes from the heights, to be among your graces… Where you are, no frustrations, no delays: Around you nothing suffers or decays: I feel as if I have already seen Animals plunging, bathing in your gaze, quaffing your presence and its clarity. I know not who you are. I know one thing: To sing your praises. Legends in a ring Around a soul, a garden round a house, within whose windows I saw Paradise -, and when night comes, how great and grand the stars that must be there, reflected in the glass…
Aus: Die Gedichte 1906 bis 1910 (Paris, Juni 1906)

Translation: Copyright © Timothy Adès

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