Breakfast
Frühstück
Kurt Tucholsky (1890-1935)
Frühstück
Stell auf den Tisch das braune Kaffeekännchen
und rück mir näher, dickes Ännchen!
Die Sonne scheint, die Vöglein pfeifen,
man kann dich mollig in die Backen kneifen.
Wie schmeckt das Frühstück Mund an Munde!
Dies ist des Tages schönste Stunde.
Breakfast
Put the brown coffee-pot on the table,
Annie Fatty-pot! The sun is warm,
Birds are in form, come here and inch
Nearer to me so I’ll be able
To give your chubby cheeks a pinch.
Tasty brekker, mouths together:
All day long, nothing’s better.
Translation: Copyright © Timothy Adès
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Paragraph 218
Paragraph 218
Erich Weinert (1890-1953)
Paragraph 218
So lebt das alte Scheusal immer noch
Im Pfaffendunkel und Gesetzekälte?
Das grinsend über Liebesträume kroch
Mit Leichenfingern frommer Staatsanwälte.
So dient ein Weib, das noch was auf sich hält
Teils der Moral und teils dem Nationalen.
Wer wahrhaft christlich ist, der braucht kein Geld;
Der Himmel wird die Alimente zahlen.
Jawohl es lebt als sittliches Prinzip,
Besonders für die niedren Atmosphären.
Ein deutsches Weib hat nur den einen Trieb,
So viel als möglich Kinder zu gebären.
Denn einmal braucht man Menschenmaterial
Für Unternehmer und für kunftge Schlachten,
Und zweitens auch im Hinblick der Moral
Muß jedes Weib nach vielen Kindern trachten.
Ein jeder Tag zeigt uns erneut:
Entsittlichung herrscht nur in untern Schichten,
In daß die bessern Stände jederzeit
Sich streng nach jenen Paragraphen richten.
Deshalb vermehret Euch mit Gottvertrauen,
Ihr Proletarier und ihr Angestellten!
Nehmt Euch ein Vorbild an den echten Frauen
Von Sittlichkeitsdurchtränkten Staatsanwälten!
Paragraph 218
In the dark of the Church and the chill of the Law
Is the monster of old yet lurking,
With a priggish attorney’s cadaverous claw
To crawl on Love’s dream, still smirking?
A good woman serves with confidence
Morality, yes, and the Nation.
Her support is paid for by Providence:
That’s enough for the genuine Christian.
Here’s a moral precept that still survives,
Meant first for the humblest, maybe:
A true German woman has no other drives,
She’s always having a baby.
Our human stocks are our vital resource,
For employers and (one day) for battle;
And all women have their duty of course,
Which is unremittingly natal.
We see it afresh every single day,
Moral rot in the lower divisions:
The superior elements, come what may,
Stay strictly within the provisions.
So trust in the Lord, lowly workers and clerks,
And breed like the mice in your houses.
Think of Crown briefs, stewed in their rectitude:
Take after their stainless spouses.
Translation: Copyright © Timothy Adès
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October Rose
Oktoberrose
Georg von der Vring (1889-1968)
Oktoberrose
Oktoberrose, schöne
Und letzte Künderin,
Wo sind des Sommers Töne,
Wo seine Lieder hin?
Ob ich an dich gedenke,
Ob sich dein Duft bewahrt,
Die herbstlichen Geschenke
Sind all von deiner Art.
Es kommt ein Wind von Osten,
Der weht dich aus der Zeit.
Die Gartentore rosten
Vor deiner Ewigkeit
October Rose
October Rose, you charmer,
Last herald of the fall,
Where are the sounds of summer,
The songs, departed all?
What if I still remember,
Or you still scent the wind?
The bounties of September
Are all your kith and kind.
The blast that comes from eastward
Bears you from time away:
When garden gates have rusted,
You still shall hold your sway.
Translation: Copyright © Timothy Adès
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‘Och, for aye is sae lang’ – words on a cemetery in Oldenburg
‘O ewich ist so lanck’ – Inschrift am Oldenburger Gertrudenfriedhof
Georg von der Vring (1889-1968)
‘O ewich ist so lanck’ – Inschrift am Oldenburger Gertrudenfriedhof
„Es glüht der Mond auf Gräber hin.
Mir schläft schon mancher Freund darin.
Sie sind so fern wie Mond und Stern.
O ewig ist so fern.“
‘Och, for aye is sae lang’ – words on a cemetery in Oldenburg
On ranks of graves the moonlight glows
Where many friends of mine repose.
They are as far as moon and star.
Forever is so far.
Translation: Copyright © Timothy Adès
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Most happily
Am liebsten
Georg von der Vring (1889-1968)
Am liebsten
„Am liebsten hab ich gelebt
Im Schleier verregneter Gärten.
Hier fanden mich gute Gefährten.
Wir haben nach Hohem gestrebt.“
Sie fielen, so blieb ich allein
Und lebte, da niemand mich störte,
Ein Leben, das keinem gehörte,
Und also war es nicht mein.
Most happily
Most happily I lived
With good companions hidden
In garden haunts rain-sodden.
For higher things we strived.
They fell, I was alone.
I lived, disturbed by none:
My life was owned by none,
So it was not my own.
Translation: Copyright © Timothy Adès
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Farewell
Abschied (II)
Alfred Lichtenstein (1889- 1914)
Abschied (II)
Vorm Sterben mache ich noch mein Gedicht.
Still, Kameraden, stört mich nicht.
Wir ziehn zum Krieg. Der Tod ist unser Kitt.
O, heulte mir doch die Geliebte nit.
Was liegt an mir. Ich gehe gerne ein.
Die Mutter weint. Man muß aus Eisen sein.
Die Sonne fällt zum Horizont hinab.
Bald wirft man mich ins milde Massengrab.
Am Himmel brennt das brave Abendrot.
Vielleicht bin ich in dreizehn Tagen tot.
Farewell
I write these lines before I die.
Don’t disturb, comrades, just pass by.
We’re off to war, where death is all.
I wish my darling wouldn’t bawl.
It’s up to me. I’ll go! I’m glad.
Mum sobs. We must be iron-hard.
Down to the skyline sinks the sun.
Soon in a mass grave I’ll be thrown.
The evening glow is good and red.
In thirteen days I may be dead.
Translation: Copyright © Timothy Adès
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Morphine
Morfin
Emmy Ball-Hennings (1888-1948)
Morfin
Wir warten auf ein letztes Abenteuer
Was kümmert uns der Sonnenschein?
Hochaufgetürmte Tage stürzen ein
Unruhige Nächte – Gebet im Fegefeuer.
Wir lesen auch nicht mehr die Tagespost
Nur manchmal lächeln wir still in die Kissen,
Weil wir alles wissen, und gerissen
Fliegen wir hin und her im Fieberfrost.
Mögen Menschen eilen und streben
Heut fällt der Regen noch trüber
Wir treiben haltlos durchs Leben
Und schlafen, verwirrt, hinüber...
Morphine
We wait for a final adventure.
Who cares if it’s sunny today?
Days teeter and fall – nights are restless –
In the purging fires we pray.
The post? We’ve given up reading it.
Into our pillows we quietly smile,
For we know it all by now. With guile
We flitter about in our shivering-fit.
Folk may have hustle and bustle and strife
The rain is more dismal today
We travel with never a pause through life,
To our sleep we muddle our way...
Translation: Copyright © Timothy Adès
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My Childhood Heaven
MEIN JUGENDHIMMEL
Emmy Ball-Hennings (1888-1948)
MEIN JUGENDHIMMEL
Mein Jugendhimmel, eine Glocke aus Glas.
Wir trugen Florentinerhüte.
Auf Kinderhände fiel Kirschenblüte.
Schneeflocken fielen, weich und nass.
Die Berge Jütlands und blaue Heide.
Und in Vaters Hof fielen manchmal die Sterne.
Da erzählte der Seeman von einer Taverne
Und bunten Mädchen in leuchtender Seide.
„Sag, Kleine, willst du mit? Sag ja…“
Matrose gab mir einen Kuss:
„Weil ich noch heute reisen muss…“
Schön sind die Mädchen von Batavia.
My Childhood Heaven
My childhood heaven, that glass bell.
Tuscan straw hats on every head.
On little hands pink petals shed;
And soft and wet the snowflakes fell.
Jutland, its purple heaths and hills.
At Father’s farm the stars dropped in.
The sailor told us of an inn
And merry girls with silken frills.
‘Will you come with me, darling? Please…’
He kissed my cheek, the sailorman.
‘Today I go to sea again…’
The lovely girls of Celebes.
Translation: Copyright © Timothy Adès
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In hospital
Im Krankenhaus
Emmy Hennings (1888-1948)
Im Krankenhaus
Alle Herbste gehn an mir vorüber
Krank lieg ich im weißen Zimmer
Tanzen möchte ich wohl lieber
An die Geigen denk ich immer
Und es flimmern tausend Lichter.
O wie bin ich heute schön!
Bunt geschminkte Angesichter
Schnell im Tanz vorüberwehn.
O die vielen, welken Rosen,
Die ich nachts nach Haus getragen,
Die zerdrückt vom vielen Kosen
Morgens auf dem Tische lagen.
An die Mädchen denk ich wieder
Die, wie ich die Liebe machen.
Wenn wir sangen Heimatlieder,
Unter Weinen, unter Lachen
Und jetzt lieg ich ganz verlassen
In dem stillen, weißen Raum,
O Ihr Schwestern von den Gassen
Kommt zu mir des Nachts im Traum.
In hospital
POEM TRANSLATION
Translation: Copyright © Timothy Adès
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Dancer
Tänzerin
Emmy Hennings (1888-1948)
Tänzerin
Dir ist als ob ich schon gezeichnet wäre
Und auf der Totenliste stünde.
Es hält mich ab von mancher Sünde.
Wie langsam ich am Leben zehre.
Und ängstlich sind oft meine Schritte,
Mein Herz hat einen kranken Schlag
Und schwächer wird's mit jedem Tag.
Ein Todesengel steht in meines Zimmers Mitte.
Doch tanz ich bis zur Atemnot.
Bald werde ich im Grabe liegen
Und niemand wird sich an mich schmiegen.
Ach, küssen will ich bis zum Tod.
Dancer
To you it seems already I
Am marked and registered to die.
I am deterred by that from erring.
How slowly life is disappearing!
How fearful often is my stride.
My heart will fail, it ails, it sickens,
And day by day the heartbeat weakens.
Death’s angel stands here at my side.
I’ll dance until I’m out of breath.
I shall be buried presently,
No-one will cuddle up to me.
I want to kiss until my death.
Translation: Copyright © Timothy Adès
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