play the old songs love please
Kannst Du die alten Lieder noch spielen?
Rainer Maria Rilke (1875-1926)
Kannst Du die alten Lieder noch spielen?
Kannst Du die alten Lieder noch spielen?
Spiele, Liebling. Sie wehn durch mein Weh
wie die Schiffe mit silbernen Kielen,
die nach heimlichen Inselzielen
treiben im leisen Abendsee.
Und sie landen am Blütengestade,
und der Frühling ist dort so jung.
Und da findet an einsamen Pfade
vergessene Götter in wartender Gnade
meine müde Erinnerung.
play the old songs love please
play the old songs love please
through my grief they go
like silver keels
to secret isles
in the sunset’s glow,
landing at flowery quays
in the youth of spring.
and on lonely ways
dimmed gods will grace
my remembering.
Translation: Copyright © Timothy Adès
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Yrjö Kilpinen sings Kannst du die alten Lieder noch spielen? https://www.youtube.com/watch?v=7TRzAx8usSU
Early Spring
Vorfrühling
Rainer Maria Rilke (1875-1926)
Vorfrühling
Härte schwand. Auf einmal legt sich Schonung
an der Wiesen aufgedecktes Grau.
Kleine Wasser ändern die Betonung.
Zärtlichkeiten, ungenau,
greifen nach der Erde aus dem Raum.
Wege gehen weit ins Land und zeigens.
Unvermutet siehst du seines Steigens
Ausdruck in dem leeren Baum.
Early Spring
Stiffness, gone. And now a softness
settles on the fields’ grey cover.
Little streams try out new noises.
Indeterminate caresses
reach for Earth from somewhere over.
Lanes run clear across the land.
Spring is suddenly at hand:
on the bare tree, see its traces.
Translation: Copyright © Timothy Adès
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See, they shall Live and Multiply
Denn, sieh: sie werden leben und sich mehren
Rainer Maria Rilke (1875-1926)
Denn, sieh: sie werden leben und sich mehren
Denn sieh: sie werden leben und sich mehren
und nicht bezwungen werden von der Zeit,
und werden wachsen wie des Waldes Beeren
den Boden bergend unter Süßigkeit.
Denn selig sind, die niemals sich entfernten
und still im Regen standen ohne Dach;
zu ihnen werden kommen alle Ernten,
und ihre Frucht wird voll sein tausendfach.
Sie werden dauern über jedes Ende
und über Reiche, deren Sinn verrinnt,
und werden sich wie ausgeruhte Hände
erheben, wenn die Hände aller Stände
und aller Völker müde sind.
See, they shall Live and Multiply
See, they shall live and multiply,
nor shall they be by time constrained;
like forest berries, bounteously,
and in their sweetness cloak the ground.
For blest are they who would not roam,
who in the rain stood roofless, mute:
to them shall all the vintage come,
to them a thousandfold, the fruit.
They shall endure beyond all ends,
all wealth whose meaning drains away,
to rise up like well-rested hands
when ranks’ and peoples’ hands decay.
Translation: Copyright © Timothy Adès
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A White Castle
Ein weißes Schloß
Rainer Maria Rilke (1875-1926)
Ein weißes Schloß
Ein weißes Schloß in weißer Einsamkeit.
In blanken Sälen schleichen leise Schauer.
Todkrank krallt das Gerank sich an die Mauer,
und alle Wege weltwärts sind verschneit.
Darüber hängt der Himmel brach und breit.
Es blinkt das Schloß. Und längs den weißen Wänden
hilft sich die Sehnsucht fort mit irren Händen ...
Die Uhren stehn im Schloß: es starb die Zeit.
A White Castle
A castle, white, in a white solitude.
Light rains go seeping through its empty halls,
Sick creepers close to death claw at the walls,
And all the paths towards the world are snowed.
The sky hangs over it, inert and wide,
The castle glitters. With uncertain hands
Feeling along white walls, fond hopes advance…
The castle’s clocks have halted. Time has died.
Translation: Copyright © Timothy Adès
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Loneliness
Einsamkeit
Rainer Maria Rilke (1875-1926)
Einsamkeit
Die Einsamkeit ist wie ein Regen.
Sie steigt vom Meer den Abenden entgegen;
von Ebenen, die fern sind und entlegen,
geht sie zum Himmel, der sie immer hat.
Und erst vom Himmel fällt sie auf die Stadt.
Regnet hernieder in den Zwitterstunden,
wenn sich nach Morgen wenden alle Gassen
und wenn die Leiber, welche nichts gefunden,
enttäuscht und traurig von einander lassen;
und wenn die Menschen, die einander hassen,
in einem Bett zusammen schlafen müssen:
dann geht die Einsamkeit mit den Flüssen....
Loneliness
Loneliness is like a rain,
ascends from sea to softest even,
from some remote, far distant plain
rising to its abode in heaven;
and falls from heaven on the town,
in the betwixt hours raining down,
when into dawn veers every lane,
and bodies, that have sought in vain,
in grief and disappointment separate;
and when a couple, joined in mutual hate,
must sleep in one shared bed together:
then loneliness flows with the running river…
Translation: Copyright © Timothy Adès
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He and She
Die Beiden
Hugo von Hofmannsthal (1874-1929)
Die Beiden
Sie trug den Becher in der Hand
- Ihr Kinn and Mund gleich seinem Rand -
So leicht and sicher war ihr Gang,
Kein Tropfen aus dem Becher sprang.
So leicht and fest war seine Hand:
Er ritt auf einem jungen Pferde,
Und mit nachlässiger Gebärde
Erzwang er, dass es zitternd stand.
Jedoch, wenn er aus ihrer Hand
Den leichten Becher nehmen sollte,
So war es beiden allzu schwer:
Denn beide bebten sie so sehr,
Dass keine Hand die andre fand
Und dunkler Wein am Boden rollte.
He and She
Curved her lip, and curved the cup
carried safely in her hand;
sure and easy was her tread,
not a single drop was shed.
Sure and steady was his hand,
and his horse high-spirited;
he with mastery pulled up,
made the startled creature stand.
Did the strong hand grasp the cup
that the fair one offered up?
It was not done easily.
How they trembled, he and she!
Hand by hand was never found,
and the dark wine stained the ground.
Translation: Copyright © Timothy Adès
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Over your closed eyes
Über deine Augenlider
Richard von Schaukal (1874-1942)
Über deine Augenlider
Über deine Augenlider
zärtlich sacht
strich mit weichem Flaumgefieder
der Wundervogel der Nacht.
Seine grossen grünen Schwingen
sind von Träumen schwer.
Horch: er will singen
von Palmenwäldern und seltnen süssen Dingen...
weit weit kommt er her ...
Over your closed eyes
Over your closed eyes
gentle, tender,
fluffy-plumed he flies,
the Night-Bird-Wonder.
Great and green he swings,
dreams are his load.
Listen, as he sings,
far from his abode,
of palm-groves and rare, sweet things.
Translation: Copyright © Timothy Adès
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Early Spring
Vorfrühling
Hugo von Hofmannsthal (1874-1929)
Vorfrühling
Es läuft der Frühlingswind
Durch kahle Alleen,
seltsame Dinge sind
In seinem Wehn.
Er hat sich gewiegt,
Wo Weinen war,
Und hat sich geschmiegt
In zerrüttetes Haar.
Er schüttelte nieder
Akazienblüten
Und kühlte die Glieder,
Die atmend glühten.
Lippen im Lachen
Hat er berührt,
Die weichen und wachen
Fluren durchspürt.
Er glitt durch die Flöte
Als schluchzender Schrei,
An dämmernder Röte
flog er vorbei.
Er flog mit Schweigen
Durch flüsternde Zimmer
Und löschte im Neigen
Der Ampel Schimmer.
Es läuft der Frühlingswind
Durch kahle Alleen,
Seltsame Dinge sind
In seinem Wehn.
Durch die glatten
Kahlen Alleen
Treibt sein Wehn
Blasse Schatten.
Und den Duft,
Den er gebracht,
Von wo er gekommen
Seit gestern nacht.
Early Spring
The wind of spring
Runs barren ways:
Rare burdening
The wind conveys.
Where tears are shed,
Himself he lulls
And makes his bed
In unkempt curls.
He sprinkles low
Acacia blooms
And cools the glow
Of gasping limbs.
Lips in laughter
He gently feels,
Scouring softer
The lively fields.
In flutes he slips
A sobbing cry:
Dawn has pink tips
As he flies by.
Silent he ranges
As rooms murmur,
Stoops and expunges
Vases’ glimmer.
The wind of spring
Runs barren ways:
Rare burdening
The wind conveys.
Along the bald
Bare avenues
Shadows, pallid,
Drifting, he blows.
And perfume
Floods his flight
Whence he came
Last night.
Translation: Copyright © Timothy Adès
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Meadows of buttercup yellow
Butterblumengelbe Wiesen
Christian Morgenstern (1871-1914)
Butterblumengelbe Wiesen
Butterblumengelbe Wiesen,
sauerampferrot getönt, -
o du überreiches Sprießen,
wie das Aug dich nie gewöhnt!
Wohlgesangdurchschwellte Bäume,
wunderblütenschneebereift -
Ja, fürwahr, ihr zeigt uns Träume,
wie die Brust sie kaum begreift.
Meadows of buttercup yellow
Meadows of buttercup yellow
and rust-red sorrel hue,
blossoms lavishly mellow
such as the eye never knew.
Trees with harmony swelling,
marvel-snow-flowering too,
what are these dreams you are telling?
No heart has the measure of you.
Translation: Copyright © Timothy Adès
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The Nasobēm
Das Nasobēm
Christian Morgenstern (1871-1914)
Das Nasobēm
Auf seinen Nasen schreitet
einher das Nasobēm,
von seinem Kind begleitet.
Es steht noch nicht im Brehm.
Es steht noch nicht im Meyer.
Und auch im Brockhaus nicht.
Es trat aus meiner Leyer
zum ersten Mal ans Licht.
Auf seinen Nasen schreitet
(wie schon gesagt) seitdem,
von seinem Kind begleitet,
einher das Nasobēm.
The Nasobēm
Upon its nose advancing
here comes the Nasobēm.
It’s followed by its offspring,
all moving as a team.
They’re not yet known to science,
They’re not in any zoo.
They made their first appearance
In pictures that I drew.
Upon its nose advancing
(returning to my theme)
it’s followed by its offspring,
here comes the Nasobēm.
Translation: Copyright © Timothy Adès
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