Prayer

Gebet (Meinem teuren Halbbruder, dem blauen Reiter) (to my dear half-brother, the Blue Rider)

Else Lasker-Schüler (1876-1945)

Gebet (Meinem teuren Halbbruder, dem blauen Reiter) (to my dear half-brother, the Blue Rider)
Ich suche allerlanden eine Stadt, Die einen Engel vor der Pforte hat. Ich trage seinen großen Flügel Gebrochen schwer am Schulterblatt Und in der Stirne seinen Stern als Siegel. Und wandle immer in die Nacht … Ich habe Liebe in die Welt gebracht, – Daß blau zu blühen jedes Herz vermag, Und hab ein Leben müde mich gewacht, In Gott gehüllt den dunklen Atemschlag. O Gott, schließ um mich deinen Mantel fest; Ich weiß, ich bin im Kugelglas der Rest, Und wenn der letzte Mensch die Welt vergießt, Du mich nicht wieder aus der Allmacht läßt Und sich ein neuer Erdball um mich schließt.
Prayer
I seek a city everywhere that has an angel at the gate. He has a great wing which I bear, a burden on my shoulder-blade, and on my brow his seal, a star. Forever turning in the night… I have brought love into the world, That blue may blossom every heart; Watched for a lifetime, wakeful, tired, The dark breath-rhythm clothed in God. Lord, close on me your mantle fast, I’m in the glass bowl which the last Soul in the world shall pour out loose: me, mighty God, you shall not lose and round me a new globe shall close.

Translation: Copyright © Timothy Adès

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From Far Away

Aus der Ferne

Else Lasker-Schüler (1876-1945)

Aus der Ferne
Die Welt, aus der ich lange mich entwand, Ruht kahl, von Glut entlaubt, in dunkler Hand; Die Heimat fremd, die ich mit Liebe überhäufte, Aus der ich lebend in die Himmel reifte. Es wachsen auch die Seelen der verpflanzten Bäume Auf Erden schon in Gottes blaue Räume, Um inniger von Seiner Herrlichkeit zu träumen. Der große Mond und seine Lieblingssterne, Spielen mit den bunten Muschelschäumen Und hüten über Meere Gottes Geist so gerne. So fern hab ich mir nie die Ewigkeit gedacht ... Es weinen über unsere Welt die Engel in der Nacht. Sie läuterten mein Herz, die Fluren zu versüßen, Und ließen euch in meinen Versen grüßen.
From Far Away
The world I left long since is now at rest, Burnt bare of leaves, by a dark hand possessed; My land’s estranged: with love I heaped it high, Which ripened me, still living, to the sky. And souls there are, souls of transplanted trees, Growing on earth in God’s blue fastnesses, And they can dream His glory, inwardly. And the great moon with all its darling stars Plays merry games with mussel-spumes, and guards, Across the waves, God’s spirit, joyfully. Eternity is not so far, I thought… Over our world the angels weep at night. They cleansed my heart, to make the fields more sweet; They freed you in my verse, to meet and greet.

Translation: Copyright © Timothy Adès

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Come with me to the picture-house

Komm mit mir in das Cinema

Else Lasker-Schüler (1876-1945)

Komm mit mir in das Cinema
Komm mit mir in das Cinema Dort findet man, was einmal war: Die Liebe! Liegt meine Hand in deiner Hand Ganz übermannt im Dunkel, Trompetet wo ein Elefant Urplötzlich aus dem Dschungel – Und schnappt nach uns aus heißem Sand Auf seiner Filmenseide Ein Krokodilweib, hirnverbrannt, Dann – küssen wir uns beide.
Come with me to the picture-house
Come with me to the picture-house, Where we can find what once was ours – Yes: Love! Your hand shall nestle in my hand, By darkness overcome, when Quite suddenly, an elephant Trots out its jungle trombone, Or when onscreen we apprehend A croc’s brain-roasted Mrs Snapping at us from burning sand – Then we shall have our kisses!
Last Page of the ‘111 Love-Poems’

Translation: Copyright © Timothy Adès

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Chocolate profiterole

Denk ich an die Schokoladenspeise

Else Lasker-Schüler (1876-1945)

Denk ich an die Schokoladenspeise
Denk ich an die Schokoladenspeise... Sei still, mein Magen mein, beherrsch dich weise.
Chocolate profiterole
Chocolate profiterole... Stomach, show some self-control.

Translation: Copyright © Timothy Adès

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Come to me in the Night

Liebeslied

Else Lasker-Schüler (1876-1945)

Liebeslied
Komm zu mir in der Nacht - wir schlafen engverschlungen. Müde bin ich sehr, vom Wachen einsam. Ein fremder Vogel hat in dunkler Frühe schon gesungen, Als noch mein Traum mit sich und mir gerungen. Es öffnen Blumen sich vor allen Quellen Und färben sich mit deiner Augen Immortellen ..... Komm zu mir in der Nacht auf Siebensternenschuhen Und Liebe eingehüllt spät in mein Zelt. Es steigen Monde aus verstaubten Himmelstruhen. Wir wollen wie zwei seltene Tiere liebesruhen Im hohen Rohre hinter dieser Welt.
Come to me in the Night
Come to me in the night – we’ll sleep, twined close, held hard. I’m lonely, been awake, so very tired. Long before dawn, the song of some strange bird: With me, and with itself, my dream still sparred. Flowers are blossoming where waters spring, Your eyes lend immortelles their colouring… Come to me in the night, be shod with seven stars, Be swathed in love, come late into my tent. Moons climb aloft from heaven’s dusty coffers. Like two rare beasts we’ll sleep the sleep of lovers In the high pass behind the firmament.
Rezitation: Gudrun Landgrebe Rechte liegen bei RandomHouse / Video: Vancouver-Canada

Translation: Copyright © Timothy Adès

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Esther

Esther

Else Lasker-Schüler (1876-1945)

Esther
Esther ist schlank wie die Feldpalme, Nach ihren Lippen duften die Weizenhalme Und die Feiertage, die in Juda fallen. Nachts ruht ihr Herz auf einem Psalme, Die Götzen lauschen in den Hallen. Der König lächelt ihrem Nahen entgegen, Den überall blickt Gott auf Esther. Die jungen Juden dichten Lieder an ihre Schwester, Die sie in Säulen ihres Vorraums prägen.
Esther
Esther is slender as rustic palm, Her lips are scented with wheatfields’ balm And the feasts of the Jews, as feast-days fall. By night she eases her heart with a psalm: The idols attend in the royal hall. His Majesty smiles at her footfall For everywhere God gazes on Esther. The stripling Jews write songs for their sister, Fixing them on her anteroom wall.
Published in Acumen no:100

Translation: Copyright © Timothy Adès

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Abraham and Isaac

Abraham und Isaak

Else Lasker-Schüler (1876-1945)

Abraham und Isaak
Abraham baute in der Landschaft Eden Sich eine Stadt aus Erde und aus Blatt Und übte sich mit Gott zu reden. Die Engel ruhten gern vor seiner frommen Hütte Und Abraham erkannte jeden; Himmlische Zeichen ließen ihre Flügelschritte. Bis sie dann einmal bang in ihren Träumen Meckern hörten die gequälten Böcke, Mit denen Isaak Opfern spielte hinter Süßholzbäumen. Und Gott ermahnte: Abraham!! Er brach vom Kamm des Meeres Muscheln ab und Schwamm Hoch auf den Blöcken den Altar zu schmücken. Und trug den einzigen Sohn gebunden auf den Rücken Zu werden seinem großen Herrn gerecht – Der aber liebte seinen Knecht.
Abraham and Isaac
Abraham in the Land of Nod Built a city of leaves and mud. It was his habit to chat with God. His pious hut was a haven-hall For angels: he recognised them all, And the heavenly marks of their winged footfall. Came the night that disturbed their reveries: Goats bleating their tormented pleas, Isaac’s sacrifice-game, in the liquorice-trees. And the Lord warned Abraham: Abraham! Breaking mussels off sea-crests, up he swam To deck the altar, high on the boulders. With his only son trussed up on his shoulders, He was both righteous and observant. But God Almighty loved His servant.
Published in Acumen no:100

Translation: Copyright © Timothy Adès

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Jacob

Jakob

Else Lasker-Schüler (1876-1945)

Jakob
Jakob war der Büffel seiner Herde. Wenn er stampfte mit den Hufen, Sprühte unter ihm die Erde. Brüllend ließ er die gescheckten Brüder. Rannte in den Urwald an die Flüsse, Stillte dort das Blut der Affenbisse. Durch die müden Schmerzen in den Knöcheln Sank er vor dem Himmel fiebernd nieder, Und sein Ochsgesicht erschuf das Lächeln.
Jacob
Jacob was his herd’s buffalo. Sometimes the brute would stamp and pound, And set earth sprouting from below. Roaring, he left his piebald kind, Ran to the forest and its rivers: His ape-bites’ blood was stilled, constrained. Weary and aching in his joints, He bowed to heaven in his fevers. Smiles wreathed his bovine countenance.
Published in Acumen no:100

Translation: Copyright © Timothy Adès

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Evening

Evening

Rainer Maria Rilke (1875-1926)

Evening
Der Abend kommt von weit gegangen durch den verschneiten, leisen Tann. Dann presst er seine Winterwangen An alle Fenster lauschend an. Und stille wird ein jedes Haus: die Alten in den Sesseln sinnen, die Mütter sind wie Königinnen, die Kinder wollen nicht beginnen mit ihrem Spiel. Die Mägde spinnen nicht mehr. Der Abend horcht nach innen, und innen horchen sie hinaus.
Evening
Evening comes, from somewhere far, through the skein of snow-brushed fir, puts his wintry cheek and ear to each window, keen to hear. Every house is hushed and still: greyheads muse and mothers rule, children stay their hand from play, girls no longer turn the spool. Outside, evening listens in, while they listen out, within.

Translation: Copyright © Timothy Adès

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The land is light

Das Land ist licht von ‚Dir zur Feier‘

Rainer Maria Rilke (1875-1926)

(for Lou-Andreas Salomé)
Das Land ist licht von ‚Dir zur Feier‘
Das Land ist licht und dunkel ist die Laube, und du sprichst leise und ein Wunder naht. Und jedes deiner Worte stellt mein Glaube als Betbild auf an meinem stillen Pfad. Ich liebe dich. Du liegst im Gartenstuhle, und deine Hände schlafen weiß im Schoß. Mein Leben ruht wie eine Silberspule in ihrer Macht. Lös meinen Faden los.
The land is light
The land is light; dark every leaf. You murmur: magic spells are near. Your words are raised in my belief To icons, as I tiptoe here. I love you. On the garden chair Sleep two white hands above your knee. My life reposes in their power, A silver spool. O cut me free!

Translation: Copyright © Timothy Adès

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